In seiner Monografie widmet sich Florian Groll der militärischen Repräsentation des familialen Umfelds von Augustus. Im Zentrum der Untersuchung steht hierbei die Frage, mit welchen Mitteln und Strategien die Verwandten des ersten Prinzeps zeitgenössisch militärisch inszeniert wurden (7, 13). Der Untersuchungs(zeit)raum beschränkt sich daher auf die Hauptstadt Rom zwischen 44 v. Chr. und 23 n. Chr., was dahingehend begründet wird, dass gerade in diesem Kontext eine Konzentration entsprechender Repräsentationsmedien zu konstatieren sei (7-9). Repräsentation wird von Groll in Anlehnung an Martin Zimmermann dabei als ein Prozess permanenten Austausches "über die Stellung des princeps und seiner Verwandten begriffen, der in verschiedenen Medien und von unterschiedlichen Mitgliedern des römischen Gemeinwesens geführt wurde" (12). [1]
Zunächst behandelt Groll den Tatenbericht des Augustus (17-36). In den dort eingestreuten militärischen Darstellungen des Tiberius und Caius Caesar identifiziert der Autor drei Parallelen: Erstens würde beiden Akteuren qua ihrer außenpolitischen Erfolge auch Sieghaftigkeit attestiert (27-28). Zweitens hebe der Text den Verwandtschaftsgrad zum Kaiser hervor (28-29). Drittens ließe sich syntaktisch eine Rolle als militärische Stellvertreter des Augusts herleiten (35-36). Hieraus leitet Groll überzeugend eine sukzessionspolitische Dimension dieser Darstellungsweise ab, welche die militärische Befähigung der präsumtiven Kandidaten adressiere (30). Weniger nachvollziehbar erscheint jedoch dessen Annahme, Agrippa und Drusus maior fehlten in dem Text, da sie nie als langfristige Nachfolgekandidaten in Frage gekommen wären (34-35).
Einen Großteil der Studie nimmt die Auseinandersetzung mit den augusteischen Dichtern ein, deren Ziel es ist, die Genese einer familialen Kollektivierung militärischer Sieghaftigkeit nachzuzeichnen. Eine erste wichtige Zäsur konstatiert Groll dabei mit den Oden des Horaz. Denn im Gegensatz zu den Res Gestae oder der Aeneis Vergils (37-55), führe Horaz in seiner Ode 4,4 die darin thematisierten Siege des Tiberius und Drusus maior erstmals auf deren Erziehung durch den Prinzeps zurück (61-62). Bemerkenswert sei neben dieser impliziten Hierarchisierung aber vor allem die Formel Augusti paternus animus, mit der Horaz den Verwandtschaftsgrad des Tiberius und Drusus zum Kaiser geschickt kaschiere und zugleich ein Konzept familiärer Sieghaftigkeit der domus Augusta entwerfe (67). Zusammen mit der Ode 4,14, die Tiberius sogar als aktiven Kombattanten darstellt (73-76), ziele Horaz darauf ab, die Integration von Augustus Stiefsöhnen in den römischen Militärapparat zu unterstreichen (79).
Eine entscheidende Rolle in Grolls Argumentation nimmt das Oeuvre Ovids ein. Neu sei bei Ovid die Dimension, mit der die domus Augusta als Ganzes mit militärischer Sieghaftigkeit assoziiert würde: So stehe in der Ars amatoria ein Triumph des Caius Caesar noch vor dessen Aufbruch in den Osten fest (102-103) und durch eine Verbindung mit der Siegesgöttin Victoria werde die Sieghaftigkeit des Tiberius in den Tristien nicht nur antizipiert, sondern auch perpetuiert (114-116). Insbesondere aber die Einbeziehung der weiblichen Mitglieder der domus in die Schilderung des tiberischen Triumphes in Tristia 4,2, ließe auf eine zunehmende diskursive Kollektivierung militärischer Leistungsfähigkeit auf die gesamte kaiserliche Familie schließen, was der Autor unter der Formel der "Familialisierung des Sieges" subsumiert (121). Diese kollektive familiale Sieghaftigkeit sei von Ovid in seinen Epistulae Ex Ponto dann sogar auf die nächste Generation in Gestalt von Germanicus und Drusus minor übertragen worden (127, 130). Auffällig sei hierbei das Fehlen des Augustus, der bei Horaz noch als Garant der Sieghaftigkeit seiner Familienmitglieder fungiert habe. Indem Ovid aber den Prinzeps nun in eine metaphysische Sphäre rücke, zeige er nicht nur, dass eine Zukunft auch ohne Augustus denkbar sei, sondern, dass dessen Nachfolgepolitik letztlich von Erfolg gekrönt gewesen wäre (131-132). An dieser Stelle wäre ein struktureller Vergleich mit dem Zeitgenossen Velleius Patercullus sicher interessant gewesen, der ein durchaus alterierendes Bild vom ersten Herrscherwechsel zeichnet.
Die letzten beiden Abschnitte widmen sich neben der monumentalarchitektonischen auch der performativen Repräsentation, der von Groll identifizierten, familialen Sieghaftigkeit. Leuchtet es dabei etwa im Falle des Germanicus-Bogens oder des Augustusforums (153-172) unmittelbar ein, eine auf das familiale Umfeld bezogene Inszenierung militärischer Leistungsfähigkeit zu erkennen, lässt sich über eine analoge Lesart anderer vom Autor angeführter Monumente sicherlich streiten. Ob etwa der Tempel der Concordia (179-181), die Porticus Octavia (184) oder die von Agrippa errichteten Gebäudekomplexe (191-193) als genuine Kriegs- oder Siegesmonumente familialer Prägung rezipiert wurden, erscheint fraglich. In ähnlicher Weise reduziert Groll auch einige Auftritte von Angehörigen der domus Augusta zu sehr auf einen rein militärischen Gehalt. Wenn etwa die Quellen die Partizipation von Livia und Julia an Speisungen bei Triumphfeierlichkeiten erwähnen (203) oder von der Mitnahme der Germanicus-Kinder im Triumphwagen berichten (215), lassen sich diese Akte alternativ auch als Inszenierungen familialer Concordia oder dynastischer Stabilität deuten. Auffällig ist zudem, dass das Augustusmausoleum und seine Inschriften in beiden Abschnitten keine intensive Diskussion erfahren.
Insgesamt ist Groll sicherlich dahingehend zuzustimmen, dass eine Vielzahl an Mitgliedern der domus Augusta in unterschiedlicher Weise militärisch inszeniert wurden. Zudem zeigen gerade die von ihm detailliert analysierten Repräsentationsstrategien der augusteischen Dichter, dass es sich bei der Darstellung der verwandten Feldherren des Prinzeps um ein mitunter prekäres Betätigungsfeld handelte, welches einer entsprechenden literarischen Kreativität und Geschickes bedurfte (219-220). Ob sich anhand des untersuchten Quellenmaterials allerdings die zweifelsfreie Entwicklung eines militärischen Familienkollektives belegen lässt, welches aus einer sukzessiven Verknüpfung der domus Augusta mit dem römischen Kriegswesen entstanden sei, überzeugt hingegen nicht vollumfänglich. So muss auch der Autor gestehen, dass es vor allem die Exildichtung Ovids ist, in der das Bild eines militärisch engagierten Familienkollektives greifbar wird (222); freilich ex eventu. Vielmehr entsteht also der Eindruck, dass es sich bei den von Groll zu Recht betonten individuellen Darstellungsmodi von militärischer Leistungsfähigkeit einzelner Verwandter des Prinzeps (218), um wiederkehrende Aushandlungsprozesse handelte, welche die Ambivalenz und Prekarität einer militärischen Inszenierung dieser Personen adressierten. Möglicherweise wäre es daher zielführender gewesen, die Studie nicht anhand des untersuchten Quellenmaterials, sondern personenbezogener Fallbeispiele zu gliedern. Hierdurch würden die von Groll identifizierten Repräsentationsformen, wie deren Kontexte noch deutlicher. Überdies hätte die Studie an Kontur gewonnen, wenn nicht nur der stadtrömische, sondern auch die provinziellen Quellenbestände eingebunden worden wären. Zudem fehlt ein die Orientierung vereinfachendes Personen- oder Sachregister.
Nichtsdestotrotz ist es Groll mit seiner Studie gelungen, einen wichtigen Grundstein für die notwendige Auseinandersetzung mit der militärischen Repräsentation des familialen Umfelds römischer Principes zu legen.
Anmerkung:
[1] Martin Zimmermann: Die Repräsentation des kaiserlichen Ranges, in: Aloys Winterling (Hg.): Zwischen Strukturgeschichte und Biographie. Probleme und Perspektiven einer neuen Römischen Kaisergeschichte 31 v. Chr. - 192 n. Chr., München 2011, 181-205, hier 182.
Florian Groll: Sieg und Familie im frühen Prinzipat. Eine Studie zur militärischen Repräsentation der Verwandten des Augustus (= Mainzer Althistorische Studien; Bd. 12), Heidelberg: Propylaeum 2024, VIII + 280 S., ISBN 978-3-96929-307-2, EUR 44,00
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