Die Erforschung der öffentlichen Sklaverei in der römischen Gesellschaft hat schon früh das Interesse der Wissenschaft erweckt. Fundamental ist das Werk von Léon Halkin, das 1897 veröffentlich wurde: Les esclaves publics chez les Romains. Immer wieder wurde das Thema im zwanzigsten Jahrhundert in kürzeren Studien aufgegriffen, bevor v.a. in den letzten Jahrzehnten auch einige größere Studien diverse Aspekte der öffentlichen Sklaverei neu unter die Lupe nahmen. Zu erwähnen ist zunächst das Buch von Walter Eder, das 1980 im Rahmen der «Forschungen zur Antiken Sklaverei» an der Mainzer Akademie mit dem Titel Servitus publica. Untersuchungen zur Entstehung, Entwicklung und Funktion der öffentlichen Sklaverei in Rom publiziert wurde. In neuester Zeit erlebt das Thema sogar eine Art Renaissance. Neben mehreren kürzeren und kollektiven Beiträgen muss man das Opus von Alexander Weiss hervorheben, das 2004 unter dem Titel Sklave der Stadt. Untersuchungen zur öffentlichen Sklaverei in den Städten des römischen Reiches erschien. 2022 veröffentlichte dann Franco Luciani sein Slaves of the People: A Political and Social History of Roman Public Slavery. Sowohl das Buch von Weiss als auch das von Luciani sind epigraphisch ausgerichtet, wie das schon bei Halkin der Fall war, wobei Weiss und Luciani deutlich mehr Inschriftenmaterial zur Verfügung stand als früheren Generationen, was ihre Forschung doch deutlich von älteren Beiträgen abhebt. Wenngleich auch ihre Werke unterschiedlich orientiert sind, vereint das Anliegen von Weiss und Luciani doch eine Frage, die auch schon früher gestellt wurde: Waren die öffentlichen Sklaven besser gestellte Sklaven im Vergleich mit versklavten Menschen, die im Besitz von einer Privatperson standen? Das Buch von Jeffrey Easton reiht sich nicht nur in diese hier kurz aufgezeichnete Bibliographie zum Thema ein, sondern auch im Besonderen in diesen spezifischen Fragenkomplex, fokussiert auf die soziale Stellung der öffentlichen Sklaven, mit besonderem Bezug auf ihre soziale Mobilität nach der Freilassung.
Die Antwort, die Easton in seinem Buch zu dieser Frage gibt, ist negativ. Nicht nur erscheinen die öffentlichen Sklaven in Eastons Studie wenig sozialen und wirtschaftlichen Erfolg zu haben, sondern sie erscheinen immer wieder gesellschaftlich schlechter gestellt als ihre privaten Schicksalsgefährten nach der Freilassung (20):
'Utilizing a larger body of epigraphic evidence than has ever been collected for this group, it will become clear that, despite the prestigious position some of them may have held as municipal slaves, only a very restricted group of the freedmen themselves ever achieved a high social standing or noteworthy economic success in their hometown or elsewhere.'
Ich schreibe Sklaven und Gefährten, nicht Sklavinnen und Gefährtinnen, weil Eastons These auf männliche Sklaven abzielt, wie das auch in der früheren Literatur der Fall war, letztendlich, weil die Männer in den Quellen in der Mehrzahl sind. (Eastons Bearbeitung der Rolle der öffentlichen Sklavinnen geht nicht über ältere Thesen hinaus, und zielt im Wesentlichen auf deren Reproduktionskapazität ab.) Insgesamt bietet das Buch einen traditionellen Beitrag zum Thema, der sich auf die Lebenswelt und sozial-wirtschaftlichen Möglichkeiten der männlichen publici konzentriert.
Eastons negatives Urteil zur sozialen Mobilität der publici basiert auf mehreren Fallstudien, die in den zwei längsten Kapiteln präsentiert werden (Kap. 3 und 4). Äußerst interessant sind hier die Auswertungen der Mitgliedschaften in verschiedenen Vereinigungen (116-153), z.B. im collegium fabrum (129), inklusive des epigraphischen Materials zu den Augustalen (117-129). Easton favorisiert auch die Idee einer Vereinigung der familia publica selbst in den einzelnen Städten (139-152). Gleichsam interessant sind die Auswertungen der inschriftlichen Quellen, die sozial-wirtschaftliche Aktivitäten und Erfolge bezeugen (154-213), wie die des M. Publicius Sextius Calpurnianus in Brixia, der eine lange Liste von offiziellen Titeln aufweisen kann (CIL V, 4459), und gerade deshalb als Ausnahme heraussticht, nicht zuletzt durch die eventuelle Unterstützung kaiserlicher oder senatorischer Seiten (176-179). Im Vergleich mit der inschriftlichen Bezeugung von Privatsklaven in diversen Stadträten, unterstreicht Easton im Gegenzug die eher sporadische Teilnahme sowohl der publici insgesamt wie auch deren Nachkommen in städtischen Ämtern, mit der Ausnahme von Puteoli (195): 'the municipal freedmen family lines do not stand out anywhere for their contribution to the council'. Diese zwei Hauptkapitel lassen für Easton nur einen Schluss zu, nämlich dass die publici der sozialen Mobilität in der Mehrheit fern standen: 'The family lines of municipal freedmen illustrate that avenues for social ascent 'from below' were available only to the lucky few' (219).
Die detaillierte epigraphische Arbeit die Easton in seinem Buch anbietet ist gut ausgeführt und klar erläutert, was auch für die einführenden Kapitel zur Quellenfassung und Methode (22-67) und den demographischen Überlegungen, auch im Zusammenhang der Freilassungen (68-103), gilt. Die Argumentation ist in sich rund und gut nachvollziehbar und immer wieder hilfreich mit etlichen Tabellen und Listen untermauert. Der lange Katalog am Ende des Buches präsentiert das gesammelte inschriftliche Material (222-330), was das Lesen (und Verstehen) erleichtert. Aber dieses Material hat auch seine Probleme. Insbesondere wirft der Katalog die Frage nach den Suchkriterien auf, die Easton im zweiten Kapitel anführt. Besonders problematisch wird hier die Verwendung von onomastischen Kriterien empfunden werden, v.a. die Rolle von gentilicia, die von Örtlichkeiten abstammen, wie z.B. Fundan(i)us von Fundi, oder Cluvius von Cluvia (25-29). Weniger als die Hälfte dieser Namen sind überhaupt in ihren 'Ursprungsstädten' belegt und viele der Namensträger können nicht mit der öffentlichen Sklaverei in Verbindung gebracht werden, wie z.B. jene aristokratischer Abstammung mit einem familiären Migrationshintergrund, der diese Art der Namensschaffung förderte. Easton arbeitet in seiner Interpretation nach dem Wahrscheinlichkeitsprinzip (32):
'The issue thus comes down to the probability that a person bearing one of those toponymic gentilicia [...] descended from a municipal freedmen line rather than one originating with early elite immigrants.'
Da der Ermessensspielraum, was die Interpretation der onomastischen Belege anbelangt, sehr groß ist, hängt die Überzeugungskraft von Eastons Auslegungen daher sehr daran, ob seine Leser/innen seinen Ermessungsspielraum grundsätzlich teilen. In diesem Bezug ist die Wissenschaft aber durchaus uneinig, was die Quellenbasis von Eastons Werk in Frage stellt, und demzufolge die Wahrscheinlichkeit der Fortführung der Diskussion über die soziale Stellung der publici erhöht. Aber auch andere Fragen, die sowieso noch im Raum stehen, bedürfen zukünftiger Behandlung. An erster Stelle steht hier die tiefere Erforschung der Rolle der öffentlichen Sklaverei in der römischen Gesellschaft, die die diversen Ausprägungen dieses Typus der Sklaverei in der Gesamtschau untersucht, also v.a. sowohl publici, ob in Rom oder sonst wo, und deren Gegenspieler im Kaiserhaus. Diese beiden Kategorien werden immer wieder voneinander getrennt untersucht, was eine holistische Interpretation des Phänomens verhindert. Aber gerade solche tiefergreifenden Zugriffe sind notwendig, um die Rolle der Sklaverei in der römischen Welt historisch weitreichender zu erfassen.
Jeffrey A. Easton: Municipal Freedmen and Intergenerational Social Mobility in Roman Italy (= Brill Studies in Greek and Roman Epigraphy; Vol. 21), Leiden / Boston: Brill 2024, X + 369 S., ISBN 978-90-04-68634-2, EUR 143,38
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres letzten Besuchs dieser Online-Adresse an.